Pflegereform-Entwurf verschärft massiv Finanzprobleme und schafft Bürokratiemonster

VhU-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (Bearbeitungsstand 24.03.2023) zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege

Aktualisiert am: 09.05.2024 3 Min. Lesezeit

Zusammenfassung

Mit dem vorliegenden aktualisierten Referentenentwurf sollen die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung massiv erhöht und sowohl die Arbeitgeber als auch die Mehrheit der Versicherten finanziell stark belastet werden. Zugleich werden die Leistungen der Pflegeversicherung ausgeweitet und damit die Finanzierungsprobleme auch für die Zukunft weiter verschärft. Mit der Verordnungsermächtigung für zukünftige kurzfristige Beitragserhöhungen wird das Demokratieprinzip geschwächt. Zu allem Überfluss werden die Unternehmen in einer weiterhin schwierigen Situation mit einem Berg an Bürokratie belastet, indem sie erstmals Anzahl und Alter der Kinder ihrer Beschäftigten und Betriebsrentner prüfen und erfassen sollen. Dem von der Bundesregierung ausgerufenen Belastungsmoratorium der Wirtschaft spricht all dies Hohn.

Der Referentenentwurf lässt jeglichen echten Reformwillen vermissen. Notwendige und nachhaltige Strukturreformen, die dafür sorgen, dass die soziale Pflegeversicherung auch zukünftig finanzierbar bleibt, sind ausgespart. Ohne grundlegende Strukturreformen, die auch eine Weiterentwicklung der Pflegefinanzierung und der Pflegeinfrastruktur umfassen müssen, droht die Belastung der Arbeitskosten durch Pflegeversicherungsbeiträge in den kommenden Jahren erheblich weiter zu steigen. Die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen treiben die Sozialbeiträge auf über 41 %, bei Pflegeversicherten ohne Kinder sogar auf 41,4 %. Noch höhere Lohnzusatzkosten als heute schwächen die Wettbewerbsposition des Wirtschaftsstandorts Deutschlands und gefährden Investitionen, Wachstumschancen und Arbeitsplätze. Zudem belasten sie in Zeiten steigender Inflation und hoher Kosten durch die Energiekrise die Beschäftigten besonders. Darüber hinaus ist eine solche Steigerung der Abgabenbelastung nicht generationengerecht, weil sie die jüngeren Generationen massiv belastet, während die älteren Generationen, die selbst sehr viel weniger Beiträge geleistet haben, massiv profitieren.

Die im Referentenentwurf vorgesehenen Anpassungen zur Berücksichtigung des Kindererziehungsaufwandes in der Pflegeversicherung führen zu unvertretbar hohen bürokratischen Aufwänden bei den Arbeitgebern. Hier sind dringend Nachbesserungen erforderlich. Eine Umsetzung zum 1. Juli 2023 für die Arbeitgeber ist keinesfalls leistbar. Zum einen, weil die notwendigen detaillierten Informationen zur Elterneigenschaft bei den Arbeitgebern grundsätzlich nicht vorliegen, da sie für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses unerheblich sind. Zum anderen, weil zur Umsetzung noch umfassende Softwareanpassungen erforderlich sind.

Im Einzelnen

  1. Stellungnahme zum Gesetzentwurf

Beitragsanhebung belastet massiv – nicht moderat

 In dem Referentenentwurf wird zu Unrecht von einer moderaten Beitragsanhebung  gesprochen (Begründung, Allgemeiner Teil). Die gleichzeitige Umsetzung des Bundesverfassungsgerichts-Beschlusses zur Berücksichtigung der Kinderanzahl verschleiert, dass die Beiträge für die Mehrheit der Versicherten zum Teil massiv ansteigt, nämlich für Kinderlose, für Versicherte mit einem Kind und für Versicherte ohne Kinder unter 25 Jahren. Die Anhebung des Beitragssatzes um 0,35 Prozent (um 0,6 Prozent für Kinderlose) ist unverhältnismäßig.

Die ohnehin extrem hohe Abgabenbelastung auf Löhne und Gehälter in Deutschland (vgl. OECD, Taxing Wages) darf nicht noch weiter nach oben getrieben werden. In kaum einem anderen Land bleibt den Beschäftigten so wenig von ihrem erwirtschafteten Einkommen wie in Deutschland. Vor allem die hohen Sozialbeiträge sind bei Durchschnittsverdienern für einen Großteil der Abgabenlast auf Löhne und Gehälter verantwortlich. Gerade in der aktuellen Phase der wirtschaftlichen Unsicherheit, in der Wirtschaft und Bürger massiv unter Preissteigerungen leiden, darf es keine zusätzlichen Belastungen durch höhere Sozialbeiträge geben. Der demografisch bedingte immer stärker werdende Fach- und Arbeitskräftemangel darf nicht auch noch mit steigenden Lohnzusatzkosten einhergehen. Nur durch eine dauerhafte und verlässliche Begrenzung der Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit wird der Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv bleiben.

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Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

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