400.000 neue Wohnungen pro Jahr?

Gastbeitrag von Thomas Reimann in Fuldaer Zeitung: "Ziel in weiter Ferne"

28.05.2022 3 Min. Lesezeit



Ziel in weiter Ferne

Thomas Reimann
rechnet mit einem Einbruch beim Wohnungsbau wegen verschärfter Materialengpässe und drastischer Verteuerung infolge des Ukraine-Kriegs


400.000 neue Wohnungen pro Jahr sollen bundesweit gebaut werden. So der Wunsch der Ampelkoalition im Bund. Wohnungen, die in Städten und im Umland dringend benötigt werden. Beispiel Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main, dem auch der Landkreis Fulda angehört. Hier sind rund 200.000 sozialversicherungspflichtige Jobs zwischen 2016 bis 2021 neu entstanden. Viele Beschäftigte und ihre Familien sind zugezogen – erfreulicherweise. Denn händeringend suchen die meisten Unternehmen Fachkräfte. Doch es mangelt vielerorts an Wohnungen für neue Mitarbeiter, was die Fachkräftesicherung erschwert.

Leider wurden im vergangenen Jahr bundesweit nur 293.000 Wohnungen fertiggestellt, vier Prozent weniger als im Jahr 2020. Das Ziel der alten Bundesregierung, 375.000 Wohnungen fertigzustellen, wurde verfehlt. In Hessen wurde mit 23.000 fertiggestellten Wohnungen das Niveau des Vorjahres immerhin gehalten. Das sind doppelt so viele wie in 2010, als nur 11.000 Wohnungen fertig wurden.

Dabei war 2021 war kein einfaches Jahr. Corona-bedingte Materialengpässe haben das Bauen erschwert. 8 Prozent Preissteigerung im Wohnungsneunbau vermeldete die Statistik, den höchsten Anstieg seit 40 Jahren.

Das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen bundesweit bedeutet für Hessen, dass bei uns pro Jahr rund 30.000 Wohnungen fertiggestellt werden müssten. Das wollen wir auch. Das könnten wir langfristig schaffen. Aber wie realistisch ist das derzeit?

Der Jahresbeginn war vielversprechend: Volle Auftragsbücher, mildes Wetter, die Materialengpässe durch Corona nahmen ab, die Baustellen liefen. Bis Russland die Ukraine überfiel. Seitdem sind viele Planungen Makulatur, weil die Baukosten steigen: Der Stahlpreis hat sich verdoppelt, Benzin und Diesel gingen durch die Decke. Rote Tonziegel waren nicht mehr lieferbar. Zudem steigen die Zinsen für Baudarlehen drastisch. In Folge werden viele Bauprojekte erst einmal auf Eis gelegt. Ich befürchte einen Einbruch im Bau in den kommenden 12 Monaten. Nicht nur im Gewerbebau, auch im Wohnungsbau. Das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen ist vorerst in weite Ferne gerückt.

Umso wichtiger ist es, dass die Politik ihren Beitrag leistet und Überfälliges anpackt. Viele Kommunen weisen immer noch zu wenig neue Bauflächen aus. Planungs- und Genehmigungsverfahren dauern zu lange. Bauanträge werden noch auf Papier verlangt. In Deutschland gibt es 16 eigene Landesbauordnungen – 15 zu viel. Diese „dicken Bretter“ müssen jetzt gebohrt werden!

Da ist es gut, dass der Landkreis Fulda die Digitalisierung der Bauämter angeht und dafür vom Land gefördert wird. Hessen, die Landkreise und Kommunen sollten rasch nachziehen und die Verwaltung schneller machen. Hausgemachte Kostentreiber müssen verschwinden: So haben sich Erdarbeiten seit 2015 um mehr als die Hälfte verteuert, weil die Entsorgung von Erdaushub in Hessen immer schwieriger wird. Im Februar hat der Landtag noch eine Gesetzesverschärfung beschlossen, wonach künftig im Bannwald kein Sand und Kies abgebaut werden darf. Diese Entscheidung sollte aufgrund der Versorgungsprobleme in Folge des Krieges in der Ukraine noch einmal überdacht werden.

 

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