Wirtschafts- und Umweltverbände: Rohstoffe weiterhin regional abbauen und so die Versorgung sichern, Baukosten senken und Naturschutz wahren
Rohstoffpolitik
Frankfurt am Main. Verbände der Rohstoffwirtschaft, der Naturschutzbund NABU Hessen sowie die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) haben heute ihre politischen Anliegen zur Gewinnung regionaler Rohstoffe an die neue Landesregierung vorgestellt. Ihr zentrales Anliegen ist, mineralische Rohstoffe wie Sand, Kies, Basalt, Kalkstein oder Ton weiterhin vor Ort in Hessen abbauen zu dürfen und nicht aus anderen Ländern oder dem Ausland importieren zu müssen. So ließen sich die Versorgungssicherheit erhöhen, Baukosten senken und der Umwelt- und Naturschutz wahren.
Die Verbände fordern schnellere Genehmigungsverfahren für Steinbrüche und Gruben, praxistauglichere Regeln bei der Entsorgung von Erdaushub, mehr Deponien für Bauabfälle in Hessen und generell eine höhere Akzeptanz für die Rohstoffgewinnung wie auch für Recycling-Baustoffe.
Thomas Reimann, VhU-Vizepräsident, Vorsitzender des VhU-Bau- und Immobilienausschusses und Vorstandsvorsitzender der ALEA Hoch- und Industriebau AG in Frankfurt, sagte: „Grundsätzlich bewerten wir die im Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Hessen geplante Stärkung regionaler Rohstoffe sehr positiv. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben ein gemeinsames Interesse, Rohstoffe vor Ort zu gewinnen. Denn das senkt die Baukosten für Wohnungen genauso wie für Straßen, Schienenwege und Brücken. Für all das brauchen wir Sand, Kies, Natursteine und andere mineralische Rohstoffe aus unserer Region. Zudem ermöglicht und erleichtert die regionale Rohstoffgewinnung später die günstige Entsorgung in ehemaligen Tagebauen. Rohstoffgewinnung und Entsorgung sind Stellschrauben in landespolitischer Verantwortung, die die neue Koalition zur Dämpfung der Baukosten nutzen sollte. Denn allein im Rhein-Main-Gebiet werden beispielsweise bis 2040 rund neue 300.000 Wohnungen benötigt, die auch bezahlbar sein müssen.“
Christoph Hagemeier, Vorstandssprecher der Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG in Hanau, sowie Landesvorsitzender des Verbands der Bau- und Rohstoffindustrie vero, sagte: „Die gesellschaftliche Akzeptanz der Rohstoffgewinnung muss steigen. Dazu kann auch die Landespolitik beitragen, indem sie beispielsweise den Bau wichtiger Ortsumgehungen unterstützt. Denn große Rohstoffbetriebe können mehrere hundert LKW-Fahrten pro Tag erfordern. Betroffene Kommunen sollten schneller als bisher beim Neubau und Erhalt von Straßen entlastet werden. Je länger notwendige Verkehrsentlastungen auf sich warten lassen, desto ist größer der Verdruss vor Ort.“
Zudem müssten staatlich bedingte Kostentreiber bei der Entsorgung von Erdaushub endlich angegangen werden. So seien die Kosten für Erdarbeiten in Hessen von 2015 bis 2023 um 77 Prozent gestiegen. Neben der raschen Schaffung neuer Deponiekapazitäten für Bauabfälle in Hessen müsse die bisher wenig praxistaugliche hessische Verfüllrichtlinie zukünftig eine einfache und umweltgerechte Verwertung von unbelastetem Erdaushub zur Rekultivierung in ehemaligen Steinbrüchen und Gruben ermöglichen.
Dr. Matthias Schlotmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Keramische Rohstoffe und Industrieminerale, erwartet von der neuen Landesregierung mehr Tempo bei den Genehmigungsverfahren: „Wir brauchen einen Beschleunigungspakt für die planerische Sicherung von Lagerstätten ebenso wie für die Genehmigungsverfahren für Abbaubetriebe – gerne nach dem Vorbild der Beschleunigung der Verfahren für den Windkraft-Ausbau. Die Verfahren dauern bisher viel zu lang. Zudem müssen die Genehmigungsbehörden ausreichend mit qualifiziertem Personal ausgestattet werden und entscheidungsreife Anträge dann auch zügig entscheiden, statt sie auf die lange Bank zu schieben.“
Maik Sommerhage, Landesvorsitzender des NABU Hessen, sagte: „Der Abbaubetrieb von Rohstoffen birgt auch große Chancen für stark gefährdete Arten, wenn für sie regelmäßig Ausweichbiotope geschaffen werden. Das gilt für Kreuzkröten, Geburtshelferkröten, Wechselkröten und Gelbbauchunken, die dynamische Lebensräume mit Rohböden und austrocknende Pfützen brauchen. Aber auch Vogelarten wie Uferschwalbe und Flußregenpfeifer fühlen sich heutzutage vor allem in Abbaustätten am wohlsten. Alle genannten Arten sind in ihren Beständen gefährdet und stehen auf den „Roten Listen“, weil es in unserer Landschaft an Dynamik fehlt. Diese dynamischen Landschaftsbereiche, z. B. an Flüssen, die Abbruchkanten und Rohböden bieten, finden sich heutzutage vor allem in aktiven Abbaubetrieben.
Rohstoffe sollten regional gewonnen und genutzt werden, um lange Transportwege und CO2 zu vermeiden. Auch ein Rohstoffabbau im Ausland würde die Natur dort beeinträchtigen. Wenn durch Rohstoffbetriebe Lebensräume verloren gehen, muss dieser Verlust naturschutzfachlich so ausgleichen werden, dass neue Lebensräume gleich gut oder möglichst sogar besser geeignet sind, für die vorkommenden Arten. Dann lassen sich Artenschutz und Rohstoffgewinnung miteinander vereinbaren.“
Ralph Lang, Technischer Leiter der Recycling GmbH Lahnau und stellvertretender Vorsitzender des vero-Landesverbands sagte: „Um Recycling-Baustoffe weiter voranzubringen, müssen sie sich ordentlich vermarkten lassen. Bislang gelten Recycling-Baustoffe bis zu ihrem Einbau rechtlich als Abfall, das hemmt ihren Einsatz. Auf Bundesebene sollte sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass alle gütegesicherten Recycling-Baustoffe aus dem Abfallregime entlassen werden und einen Produktstatus erhalten.“
Auch wenn Hemmnisse für Recycling-Baustoffe weiter abgebaut würden, könne keinesfalls nur auf Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. Im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 585 Millionen Tonnen Gesteinskörnungen hergestellt, davon machten Recycling-Baustoffe nur 77 Millionen Tonnen oder 13 Prozent aus. Bereits heute werden mineralische Bauabfälle zu 90 Prozent verwertet und verbleiben nahezu vollständig im Stoffkreislauf. „Recycling-Baustoffe sind hochwillkommen, können aber leider nur einen kleinen Teil der Rohstoffgewinnung ersetzen. Primärrohstoffe werden auch in Zukunft in großer Menge benötigt“, so Lang.
Philipp Rosenberg, Geschäftsführer des Industrieverbands Steine und Erden e.V. Neustadt an der Weinstraße, forderte, dass auch in 30 oder 50 Jahren die Rohstoffgewinnung in Hessen möglich sein müsse, weshalb heute dafür Genehmigungen erteilt werden müssten: „Mit Blick auf die Versorgungssicherheit und die auch zukünftig hohe Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen würde es wirtschaftlich, ökologisch und politisch gar keinen Sinn machen, weniger Sand, Kies und Natursteine in Hessen gewinnen zu wollen.“
Kritisch sieht Rosenberg weiterhin die im Jahr 2022 vom Landtag beschlossene Verschärfung des Hessischen Waldgesetzes, wodurch neue Gewinnungsvorhaben in Bannwäldern ausgeschlossen sind. „Deswegen begrüßen wir außerordentlich, dass CDU und SPD das Thema Bannwald im Koalitionsvertrag neu bewertet haben und temporäre Eingriffe in Schutzzonen künftig ermöglichen wollen“, so Rosenberg.
Zur Pressekonferenz im Hessischen Landtag stellten sich (v.l.n.r): Dr. Matthias Schlotmann, Philipp Rosenberg, Thomas Reimann, Maik Sommerhage, Ralph Lang und Christoph Hagemeier den Fragen der Medienvertreter.