15 Punkte für weniger Langzeitarbeitslosigkeit in Hessen

In Hessen beziehen rund 430.000 Menschen Arbeitslosengeld II. Davon sind rund 300.000 erwerbsfähig, 100.000 arbeitslos (davon 40.000 langzeitarbeitslos), 80.000 in Arbeit mit aufstockendem Arbeitslosengeld II und 150.000 Kinder.

Aktualisiert am: 09.05.2024 4 Min. Lesezeit
  1. Die Jobcenter müssen die individuellen Fähigkeiten, Stärken und Qualifikationen der Langzeitarbeitslosen in Hessen detailliert erfassen und für eine passgenaue Beratung, Förderung und Vermittlung nutzen.
  2. Die Jobcenter müssen gesundheitliche Einschränkungen der Langzeitarbeitslosen erfassen und frühzeitig Reha-Maßnahmen einleiten, damit die Beschäftigungsfähigkeit schnell wieder hergestellt wird und Dauerkrankheit vermieden werden kann. Denn erwerbsfähig ist nach dem SGB II bereits, wer mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann.
  3. Die Jobcenter müssen die rund 30.000 Aufstocker in Hessen, die lediglich einen Minijob oder eine selbständige Tätigkeit ausüben, mit der sie ihre Existenz nicht selber sichern können, durch Einfordern von Eigenbemühungen und Arbeitsangebote in eine existenzsichernde Beschäftigung führen. Deshalb sollte der gesetzliche Fehlanreiz, sich in Kleinstbeschäftigungen einzurichten und diese mit Arbeitslosengeld II zu ergänzen, gestrichen werden.
  4. Rund ein Viertel der Langzeitarbeitslosen, die eine sozialversicherte Beschäftigung aufnehmen, ist nach 12 Monaten nicht mehr sozialversichert beschäftigt. Deshalb sollten ehemalige Arbeitslosengeld-II-Bezieher bei Bedarf auch nach Aufnahme einer Arbeit weiter durch die Jobcenter beraten und unterstützt werden, damit sie sich im Job wieder zurechtfinden und nicht in Arbeitslosigkeit zurückfallen.
  5. Die Jobcenter müssen für die Bürger in einem verständlichen Bericht Rechenschaft über Kosten und Nutzen der Arbeitslosengeld-II-Verwaltung ablegen. Nur hierdurch entsteht für die Jobcenter der Anreiz, ihre Arbeit systematisch zu verbessern.
  6. Die Hauptursache für Arbeitslosigkeit ist fehlende Bildung. Über die Hälfte der Arbeitslosen hat keinen Berufsabschluss. Deshalb muss die Zahl der Schulabbrecher und Personen ohne Berufsabschluss reduziert werden, indem insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten frühzeitig und individuell gefördert werden. Die Teilzeitausbildung bietet Betrieben und jungen Menschen eine noch zu selten genutzte Möglichkeit, trotz familiärer Pflichten einen Berufsabschluss zu erlangen.
  7. Auch die Anstrengungen, Erwachsene zu einem beruflichen Abschluss zu bringen, müssen intensiviert werden. Weiterbildung sollte sich aber nicht  nur  an den  Stärken  und  Interessen  des  Einzelnen, sondern  auch  an  den  Bedürfnissen  des  Arbeitsmarktes  orientieren. Nur so können auch Enttäuschungen und Motivationsverluste bei den betroffenen Menschen vermieden werden. Die Weiterbildung sollte  nur  gefördert  werden,  wenn  der  im  Ergebnis  erzielte Berufsabschluss gute Arbeitsmarktperspektiven bietet und die Aussichten auf eine möglichst dauerhafte Beschäftigung oberhalb der Helferebene verbessert.
  8. Arbeitslose unter 25 Jahren dürfen nicht die Erfahrung machen, ohne Gegenleistung von der Solidargemeinschaft alimentiert zu werden. Wenn ihnen nicht sofort eine Ar-beit, Ausbildung oder Qualifizierung vermittelt werden kann, muss Ihnen umgehend eine verpflichtende Arbeitsgelegenheit angeboten werden.
  9. In Hessen gibt es 700 Familien mit fünf oder mehr Mitgliedern in denen niemand erwerbstätig ist. Aus diesen Familien sollte immer mindestens ein Erwachsener in Arbeit oder eine Maßnahme vermittelt werden, damit die Kinder und Jugendliche nicht die Erfahrung machen, dass Wohnung, Essen und Kleidung auf Dauer ohne Gegenleistung vom Amt bezahlt werden.
  10. Die Kommunen müssen sozialen Brennpunkten insbesondere im städtischen und großstädtischen Bereich mit vielen Arbeitslosen und Arbeitslosengeld-II-Beziehern durch ein wirksames Quartiersmanagement begegnen – mit Stadtentwicklung und Vernetzung der örtlichen Akteure aus Verwaltung, Politik, Vereinen und Wirtschaft ei-nerseits und den Bewohnern andererseits.
  11. Ein funktionsfähiger Sanktionsmechanismus ist unentbehrlich für die konsequente Aktivierung der Langzeitarbeitslosen. Die bestehenden Sanktionen überfordern die Hilfebedürftigen in keiner Weise und unterstreichen das richtige und notwendige Gegenleistungsprinzip der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II.
  12. Flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeit und Minijobs sind für Langzeitarbeitslose das Sprungbrett in Beschäftigung. Diese Jobchancen dürfen nicht durch immer neue Regulierungen geschwächt werden.
  13. Viele Langzeitarbeitslose sind gerade beim Einstieg in Arbeit den Anforderungen eines Arbeitsplatzes, der mit 8,84 Euro entlohnt werden kann, noch nicht gewachsen. Die Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose muss von 6 auf 12 Monate ausgeweitet werden um insbesondere Niedrigqualifizierten den Einstieg in Arbeit zu ermöglichen.
  14. Fast jeder zweite Langzeitarbeitslose im Arbeitslosengeld-II-Bezug in Hessen hat einen Migrationshintergrund. Langzeitarbeitslose mit Migrationshintergrund müssen gezielt beim Erwerb der deutschen Sprache gefördert werden. Förderangebote müssen ausreichend dotiert sein, dauerhaft zur Verfügung stehen und allen Erwerbsfähigen mit sprachlichen Defiziten offen stehen.
  15. In Hessen gibt es rund 40.000 Alleinerziehende im Arbeitslosengeld-II-Bezug. Keine Beschäftigungsaufnahme darf an fehlender Kinderbetreuung scheitern. Die Kommunen sind hier in der Pflicht, ausreichend Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen oder notfalls Geld für Tagesmütter bereitzustellen.

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Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

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